Immer wieder erlebe ich sie — vollmundige Lippenbekenntnisse, oft glaubhaft vorgetragen: “Unser Personal ist unsere wichtigste Ressource” “Ohne unsere Leute wären wir gar nichts.” Jeder schreibt sich das auf die Fahne — und in sein “Mitarbeiterversprechen”. Wieso wird dann so wenig in die strukturelle Verbesserung der Arbeit investiert, sondern vorrangig in andere Bereiche wie beispielsweise IT, Produktion oder Vertrieb? Übrigens, mit dem Bereich “F&E”, vornehmlich im Sinne von Innovationen, verhält es sich häufig ähnlich, denn auch hier gelten die selben Themen (hierunter dargestellt) wie bei der Entwicklung des Nährbodens für Arbeit.
Nehmen wir mal als Beispiel ein traditionelles mittelständisches Unternehmen, welches die Digitalisierung verpennt hat und tief in der tayloristischen Arbeitsweise verwurzelt ist. Verborgene und brach liegende Potentiale werden nicht gehoben, Innovationen gibt es nicht, Effizienz und Effektivität passieren eher zufällig. Die oberste Heeresführung trägt alle Last und geht darunter in die Knie. Einige schlaue “Ratten” verlassen das “sinkende Schiff”. Tief in der Krise, dann gerade noch so gerettet durch Banken. Es findet seinen Fallschirm, zumindest für den Moment. Einmal tief durchatmen. Und dann weiter. Es werden Pläne geschrieben, was sich alles ändern muss. Eine neue Geschäftsführung wird eingesetzt. Es werden Berater bestellt. Soweit so gut. Hat alles Hand und Fuß. Strukturen werden angefasst und optimiert, es dreht sich was. Die Mitarbeiter sind in Aufruhr, einige hoffnungsvoll, andere ängstlich. Ein mittlerweile gewöhnliches Szenario in Deutschlands Mittelstand.
Man informiert sich, schlaut sich auf, was es jetzt noch braucht. “Personalbefähigung” wird das neue Schlagwort. Ein grobes Konzept wird erstellt, wie in den kommenden Monaten sowohl strukturell als auch operativ eine Grundlage geschaffen werden kann für mehr Befähigung und Wirksamkeit aller Mitarbeiter, für Partizipation, Co-Kreation, Potentialentfaltung, für eine Verantwortungsgesellschaft innerhalb der Organisation. Hoch motiviert und in freudiger Erwartung sehen die Verantwortlichen dem finalen Go für diese Agenda entgegen, dem Kickoff zu einer neuen Welt, in die sie alle Hoffnung und Kraft setzten.
Die Agenda wird final von der Geschäftsführung abgelehnt — die liquiden Mittel würden anderswo dringender gebraucht, man müsse das Thema mit den bestehenden Ressourcen bewältigen. Die Verantwortlichen sind verwundert und enttäuscht, war ihnen doch volle Unterstützung zugesagt worden, volle Kraft voraus, für die “wichtigste Ressource im Unternehmen — unsere Mitarbeiter”.
Und wieder läuft etwas gewaltig schief. Nach jahrelangen Erfahrungen mit diesem ewigen Konflikt habe ich mittlerweile eine ziemlich klare Idee, woran das zu liegen scheint — und wie oben erwähnt, nicht nur im Bereich “Strukturen der Arbeit”, sondern ebenso im Ressort “Innovation/ Produktentwicklung”:
1. Der Druck der schnellen, sichtbaren Wertschöpfung.
Gerade bei fremd gesteuerten Geschäftsführern, die nicht ihr eigenes Geld investieren — also in den meisten Fällen — herrscht ein immenser Druck, jede Investition möglichst Gewinn bringend einzusetzen. Dabei bedeutet “Gewinn bringend” allerdings meist eine möglichst schnelle Amortisation der Kosten sowie einen schnellen, sichtbaren Anstieg in der Wertschöpfung. Ach so, und nachhaltig, also dauerhaft, soll er natürlich auch sein. De facto ist das der Auftrag, den Zauberstab zu schwingen und die eine perfekte Lösung herbei zu zaubern. Dieses Prinzip wird im übrigen auch nach unten weitergegeben, also handeln alle Bereichs-, Abteilungs- und Teamleiter nach dem selben “Verständnis”, ich nenne es bevorzugt “Irrglauben”. Wir alle wissen, dass strukturelle Investitionen eher langfristig Früchte tragen — und, dass zu Beginn oft noch nicht einmal klar ist, wie genau diese Früchte aussehen und schmecken werden. Was mich zu Punkt 2 führt.
2. Die Berechenbarkeit des Outcome.
Niemand kann genau prognostizieren, wie sich Parameter wie Produktivität, Innovation oder die Unternehmenskultur verändern werden, wer gehen und wer bleiben wird, wer sich wie entwickeln wird in den neuen Strukturen. Wie das neue Gehaltsmodell angenommen wird, ob die Flexibilisierung von Arbeitszeiten wirklich zu mehr Effizienz führt. Wir können immer nur ahnen und einer Idee folgen, von der wir überzeugt sind. Wissen nützt hier nichts. Denn Menschen sind nicht berechenbar, ebenso wenig wie Innovationsarbeit. Wenn schon bekannt wäre, wie ein Problem zu lösen ist, braucht es schließlich keine Forschung mehr. Und das macht solche Investitionen häufig zu Experimenten. Wir investieren, probieren, lernen. Entwickeln neue Hypothesen aus dem Gelernten und experimentieren auf´s Neue. Wenn wir hingegen eine Buchhaltungs-Software einführen, dann wissen wir genau, was wir davon haben werden, die unberechenbaren Komponenten liegen dabei nur in dem, was der Mensch vorher nicht bedacht hat. Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass das auch das tiefer liegende Hauptmotiv der gesamten KI-Bewegung ist: sich unabhängig zu machen von Menschen für mehr Sicherheit durch Berechenbarkeit. Ein allmachtsphantastischer Kontrollwahn fast schon, der sich da ausbreitet. Perfide, denn all das wird von Menschen durchgeführt… Wir halten fest: eine konkrete Berechnung von Amortisation und Wertschöpfungs-Outcome können wir bei Themen dieser Art nicht abbilden. Und das bringt mich zum dritten Punkt.
3. Vertrauen.
Es mangelt überall an Vertrauen. Vertrauen von Seiten des Geldgebers in die Geschäftsführung, das ganze runter kaskadiert bis zum einzelnen Mitarbeiter. Und auch wieder hinauf, vom Mitarbeiter über die Führungsebenen bis hin zum Geldgeber. Niemand vertraut dem anderen, erst recht dann nicht, wenn er selbst keine Ahnung von einem Thema hat und einen Druck im Nacken verspürt.
Was nun?
Es gilt also, zu allen Punkten eine Lösung zu finden, wobei das Thema Vertrauen sicherlich die unberechenbarste Komponente darstellt. Gefühle sind nicht bestimmbar, ich kann nicht einfach festlegen, dass ich jemandem ab sofort vertraue. Das entwickelt sich — oder eben nicht. Wir können Grundlagen dafür schaffen, dass es sich besser entwickelt, aber sicher voraussagen können wir es nicht.
Was den Druck der schnellen, sichtbaren Wertschöpfung angeht, denke ich, es braucht tatsächlich das formale Go von “oben” für Experimente ohne klaren Ausgang. Oder eine gute Hintertür innerhalb der Organisation, in der man sich Freiräume schaffen kann für Innovation oder Transformation. Auch hierfür gibt es prominente Beispiele, wie Produktentwicklung vollständig im Verborgenen statt fand und erst zu Tage gefördert wurde, als das fertige Produkt stand. Ebenso für Transformationen, bei denen eine Hand voll Mitarbeiter gemeinsam peu à peu Strukturen veränderten und die Kultur irgendwann folgte. Der offizielle Weg ist dennoch der charmantere, denn neben der teilweise gefühlten “Duldung” solcher Projekte gibt es oft auch echte Unterstützung. Dafür wiederum braucht es Vertrauen vor allem in die Innovatoren. Und wenn das nicht vorherrscht und wir es nicht einfach so erzeugen können, was hilft dann? Vielleicht der kognitive Ansatz, es trotz fehlendem Vertrauen zu gestatten um zu lernen, was passiert. Denn nicht selten resultiert fehlendes Vertrauen aus mangelnder Eigenkompetenz. Sprich, wenn ein Geldgeber selbst kein Talent und keine Erfahrung in diesen Themen hat, traut er tendenziell anderen auch wenig zu — das ist psychologisch gesehen “normal”. Dann schwindet die Geduld sehr schnell und es wird wieder auf Ergebnisse gepocht. Es braucht ein Verständnis dafür, dass andere Menschen andere Talente besitzen und sie deshalb die Richtigen für die Aufgabe sind. Dazu eine große Prise Geduld und das temporäre Aushalten des Ungewissen. Eine Disziplinaufgabe.
Was die Berechenbarkeit des Outcome angeht, könnte ein Ansatz sein, nicht länger nach dem Prinzip “Zeit gegen Geld” zu rechnen — weder bei internen Entwicklern noch bei externen Begleitern und Beratern. Die Anzahl der abrechenbaren Stunden steht in keinem kausalen Zusammenhang zum Ergebnis und sollte demnach auch keine Rolle spielen. Ich kann nicht prognostizieren, dass nach 20 Stunden Arbeit auf jeden Fall eine Lösung für ein Problem steht. Sie steht, sobald jemand die passende Idee hatte und diese sich bewahrheitet. Die folgerichtige Entscheidung ist also, sich gemeinsam ein messbares Ergebnis zu überlegen, welches durch die Zusammenarbeit erreicht werden soll und den Auftragswert ausschließlich daran zu bemessen. Das Risiko wird somit geteilt, denn jeder arbeitet so lange mit, bis das vereinbarte Ergebnis erzielt wurde. Das schafft ein Verantwortungsbewusstsein auf beiden Seiten — und die viel zitierte und doch selten erreichte Augenhöhe.
Wir nennen diesen Ansatz “Resulting” und sehen darin die Zukunft. Resulting ist ergebnisorientierte Beratung und Begleitung, ist ein Committment, dass wir als “Resultants” das Risiko für das Gelingen eines Projektes ebenso mittragen wie unsere Auftraggeber. Ein Verschreiben der Wirksamkeit. So kann es gelingen. Und zwar in jeglicher Form von Beratung und Innovation. Egal, ob inhouse oder extern. Ob Eventplanung, Software-Entwicklung oder Unternehmensberatung — das gemeinsame Ziel bildet die Basis der Zusammenarbeit. Probiert´s mal aus, da passieren spannende Dinge, die vorher nie passiert sind.



