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Von Helden und Schurken – und warum Blasenpflaster Lösung und Problem zugleich sind

Ich habe schon lange nicht mehr einen solchen Artikel gelesen wie diesen hier: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/beruf-und-buero/the_shift/gastbeitrag-die-traurige-illusion-hierarchieloser-organisationen/24903556.html?pageNumber=0&ajaxelementid=%23hcf-add-comment-id

Ein so stereotypisches Beispiel für die Vorliebe von uns allen, in „Helden“ und „Schurken“ zu denken. In „gut“ und in „böse“. Unglaublich, wie sehr es das Leben vereinfacht, wenn man einfach kategorisieren kann. Kategorisierung wirkt wie ein Blasenpflaster, welches man einfach auf seinen geschundenen Fußballen klebt. Wie durch Zauber löst sich die Blase auf, weil das Pflaster nicht nur schützt, sondern auch gleich noch das Problem löst. Und dann läuft man sich einfach weiter die Hacken wund – is ja n Pflaster drauf, alles wird gut! So – und genau so – kürzlich geschehen in meinem Italien-Urlaub vorletzte Woche.

Wo ist die Brücke?

Nun, ich sehe es so: Wenn wir eine Situation einschätzen wollen, bedienen wir uns hilfreicher Erklärungsmuster. Bedienen bedeutet, sie müssen zunächst einmal bekannt sein. Muster helfen bei der Einordnung eines Sachverhaltes als Grundlage für dessen Bewertung und das sich daraus ableitende Handeln. Wir alle wissen, dass Kategorisierung uns hilft, Energie zu sparen. Und wir wissen auch, dass, in der folgerichtigen Konsequenz, im Energiesparmodus nichts Neues entsteht. Es ist also notwendig, dass wir uns bewusst dem Energiesparmodus entziehen, wenn wir uns mit neuem Wissen und Erfahrungen anreichen, bereichern wollen.

Da wir mit der Kategorisierung von Menschen in Helden und Schurken aufwachsen (siehe auch das Beitragsbild aus dem schnuffigen LEGO-Movie), ist dies ein tief verankertes gelerntes Muster, auf welches wir automatisch zugreifen. So auch geschehen in zitiertem Artikel. Mitarbeiter, die sich unreif und niederträchtig verhalten, die dadurch Selbstorganisation verhindern, ja sogar strikte Führung brauchen – das ist eine klassische Schurken-Kategorisierung. Eine Trivialisierung. Eine simple Einordnung, die wiederum in sich eine Handlungsempfehlung birgt: Lass diesen unreifen Menschen ja nicht in die Verantwortung kommen, der kann damit ja nicht umgehen. Die Lösung: Mehr Steuerung, mehr Korsett. Die schnelle Lösung. Energiesparmodus.

Ist wie Blasenpflaster aufkleben und weiterlaufen.

Blöd nur, dass sich dadurch nichts ändert. Im Gegenteil. Die Annahme, das Problem sei nun gelöst, ist der relevante Irrtum. Denn das eigentliche, tiefer liegende, Problem ist nach wie vor da und wird verstärkt durch den Irrtum und das daraus resultierende „Mehr Desselben“-Verhalten.

Die Blase, also das Symptom, wird zwar weichen, aber der Körper wird weiterhin überbelastet. Gegebenenfalls führt das zu einer veränderten Laufhaltung und auf Dauer zu einer Fehlstellung.

Die Situation der „verhinderten Selbstorganisation“, also das Symptom, wird zwar gelöst, aber der Mitarbeiter wird weiterhin unreif erscheinen. Auf Sicht wird er vermutlich eines Tages gekündigt, weil er einfach keine Verantwortung übernehmen will.

Wie wäre es mit einem alternativem Denkspiel: Was, wenn die Schuhe falsch gewählt wären? Oder die Kombination aus Schuhen und Tour?

Bei „32 Grad im Schatten“ (welcher Schatten?) 24.271 Schritte = 15,8 km und 33 Stockwerke (sagt meine Apple-Health-App) nach wochenlangem körperlichem Passivismus durch das alte Rom in Flipflops zu latschen…ist im Grunde einfach dämlich. Gut, ich habe mich wenigstens nicht gewundert über meine zahlreichen Blasen an den Füßen. 😉

Mit geeigneteren Schuhen und vielleicht einer bewussteren Ressourceneinteilung – also mit mehr Vernunft und weniger „kuck mal, n Schmetterling“-Entdecker-Attitüde – hätte sich das Blasendebakel verhindern lassen.

Was also, wenn der Mitarbeiter nicht unreif und niederträchtig wäre?

Im Sinne des Systems handelt er doch eigentlich sehr intelligent. Er hat per Formalität keine Verantwortung inne – und verhält sich genau so. Verantwortungslos. Das ist doch das, was von ihm gefordert und strukturell verankert ist.

Wenn wir also diesem Mitarbeiter strukturell ermöglichten, Verantwortung zu übernehmen; wenn wir ihm bewusst den Raum ließen, sein Handeln am wirtschaftlichen Wohl der Organisation auszurichten und nicht an internen Vorgaben – dann könnte es passieren, dass sich sein Verhalten ändert. Weil sich die Grundlage geändert hat und damit die Basis für seine Bewertung, welches Handeln in diesem Spiel systemintelligent ist und welches nicht.

Nur so eine Hypothese ^^

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