Liebe Inhaber, CEOs, Vorsitzende – liebe Entscheidungsträger,
wir leben in spannenden Zeiten. Ihre Aufgabe wird immer komplexer, Ihre Einflussmöglichkeit immer diffuser. Ich war selbst jahrelang Geschäftsführerin eines Mittelständlers und habe das auch erlebt.
Digitalisierung und Globalisierung haben dazu geführt, dass unsere gelernten Management-Praktiken nicht mehr vorhersehbar zu mehr Marktanteilen und Gewinnmaximierung führt.
Unternehmensführung war lange Zeit geprägt von Steuerung. Wir wussten, wie es richtig geht und hatten die Aufgabe, sicher zu stellen, dass dieses Wissen in der Praxis angewendet wird. Zahlen und Analysen halfen uns dabei. Wir wussten, was zu tun ist, um unser Geschäft zu festigen und auszubauen. Wir hatten es im Griff.
Ich beobachte täglich, wie diese Sicherheit zunehmend schwindet und einer Orientierungslosigkeit weicht. Natürlich nicht bei Ihnen allen, aber doch bei den meisten von Ihnen.
Der Wandel bringt tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft mit sich:
- Unsere Arbeitnehmer haben andere Bedürfnisse und leben andere Werte als die Generationen vor ihnen;
- Unser Wettbewerb wartet ständig mit Innovationen auf und neue Konkurrenten schießen unvorhersehbar aus dem Boden;
- Gesetze und Politik reagieren auch auf den Wandel und kreieren neben Chancen auch Restriktionen für unser Business;
- Unsere Kunden sind aufgeklärter, kritischer und fordernder.
War das früher anders? Hatten Unternehmensgründer vor fünfzig Jahren nicht schon ähnliche Herausforderungen zu bewältigen? Damals gab es auch Generationen-geprägte Wertesysteme, neue Gesetze und Wettbewerb. Inhaltlich waren sie anders gelagert, doch auch damals mussten Unternehmer auf Neuerungen reagieren.
Heute fühlt sich das anders an.
Die Geschwindigkeit hat zugenommen. Die Frequenz, mit der unser Markt uns neue Herausforderungen spendiert, ist enorm gestiegen. Die Unvorhersehbarkeit ist heute derart hoch, dass Planung nur noch bedingt sinnvoll ist. Selbst dort, wo sie dank Ford und Taylor Anfang des 19. Jahrhunderts perfektioniert wurde – in der Massenproduktion. Die Margensteigerung durch Fließbandfertigung wird zunehmend gefressen von den entstandenen Kosten für produzierte, aber nicht mehr monetarisierte Güter.
In meiner Funktion als Geschäftsführerin bemerkte ich immer häufiger, wie wenig Zeit ich in Planung investieren wollte – und das, wo ich an sich gern die Zukunft berechne. 😉 Vermutlich, weil ich damals schon meinen eigenen Annahmen nicht mehr traute. Die Basis für Planung ist Wissen. Wann immer ich weiß, was die Zukunft bringen wird und wie das Ergebnis am Ende aussieht, machen Pläne nicht nur Sinn, sondern sind notwendig für effizientes Wirtschaften. Wenn ich ein Haus baue, kann und muss ich planen, wie es am Ende aussehen wird. Abgesehen davon, dass auch hier Unwägbarkeiten meinen Weg kreuzen werden – jeder, der mal ein Haus gebaut oder gekauft hat, bestätigt das 🙂 Wenn ich ein neues Produkt auf den Markt bringen will, sieht die Sache anders aus. Die Unwägbarkeiten sind derart hoch, dass sie den Wissensanteil bei weitem übersteigen: Welcher Markt wird mein Produkt wie annehmen? Werden die Kunden uns wirklich besser finden als den Wettbewerb? Welchen Preis werden sie zahlen? Wie schnell wird die Konkurrenz gegensteuern? Und was kommt übergeordnet auf mich zu? Neue Restriktionen, Rezession, Krise?
Wieder alles im Griff.
Dieses Gefühl von Sicherheit, Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft Ihres Unternehmens – dieses Gefühl hätten Sie (oder zumindest viele von Ihnen) gern wieder öfter. Verständlich, denn dieses Gefühl ist viel wert, es ist Energielieferant und Sicherheitsgurt zugleich. Mit diesem Gefühl sind Sie mutig und treffen Entscheidungen. Denn Sie sind davon überzeugt, dass es gut wird.
In allen Bereichen, in denen Sie also nicht mehr genug wissen, um vernünftig planen zu können, brauchen Sie ein alternatives Vorgehen, um Ihre unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Der Versuch, die Zukunft vorherzusagen, indem Sie Ihre Kunden nach deren Zukunft befragen, ist überwiegend gescheitert. Die Antworten der Befragungen entsprechen einfach zu oft nicht dem Handeln. An sich sogar logisch, denn auch Ihr Kunde kann nicht wissen, wie er sich morgen verhalten wird. Denn das Morgen bleibt unbekannt.
Wieder alles im Griff – durch Lernen.
Es bietet sich an, in Abwesenheit von Wissen auf Ideen zu setzen. Wenn die Zukunft ungewiss ist und verschiedene Optionen zur Wahl stehen, die alle irgendwie funktionieren könnten, verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl und das Ihrer Mitarbeiter. Geben Sie Ideen Raum zur Umsetzung – und sich die Erlaubnis, sich irren zu dürfen. Aus den Experimenten lernen Sie, gewinnen neue Erkenntnisse und erlangen schlussendlich neues Wissen.
Strukturieren Sie Ihr Unternehmen am besten so, dass beides möglich ist: Planung und Steuerung überall dort, wo es verlässliches Wissen gibt – und Freiraum für Ideen und Experimente überall dort, wo es kein Wissen über den besten Weg gibt.
Wenn Sie dazu Inspiration suchen, schauen Sie sich mal die Geschichte des chinesischen Geräte-Herstellers Haier an. Der CEO dort hat 75.000 Mitarbeiter neu organisiert, indem er sie in 4.000 „Micro-Enterprises“ aufgeteilt hat und damit direkt an die Wertschöpfung gekoppelt hat – alle Mitarbeiter. Einen sehr ausführlichen und inspirierenden Artikel zu dieser Mammut-Transformation hat das Harvard Business Review veröffentlicht. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, wie dieser Weg gelingen kann – bedienen Sie sich am Buffet der Möglichkeiten und gestalten Sie Ihre eigene Transformation – für mehr Wertschöpfung und unternehmerischen Erfolg!
Wieder alles im Griff. Viel Erfolg auf Ihrem Weg.



